Lese- und Übersetzungshilfe lateinischer Text

Allgemeine Fragen zur Ahnenforschung und alten Begriffen
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ThomasC
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Lese- und Übersetzungshilfe lateinischer Text

Beitrag von ThomasC »

Liebe Gemeinde,

zuerst hatte ich meine Anfrage fälschlicherweise unter "Lesehilfe alte Schriften" eingetragen ohne mir vorher die Beschreibung zu diesem Bereich im Forum durchzulesen. Da die Anfrage aber hierhin gehört, trage sich sie nun hier nochmal ein, in der Hoffnung, dass mir ein freundlicher Ahnenforscher helfen kann.

Den angehängten Text hat mein Vorfahre, Pfarrer zu Gehofen, 1649 zum Tod seiner Ehefrau Maria Magdalene im Kirchenbuch eingetragen. Leider kann ich kein Latein und bin mir daher auch meiner Transkription nicht ganz sicher. Vielleicht könnte das jemand mal prüfen und vor allem mir den lateinischen Text übersetzen.

Kann jemand etwas mit "Nibstadia" anfangen? Es könnte die latinisierte Form ihres Geburtsnamens sein oder ein Hinweis auf ihren Herkunftsort.

Hier meine Transkription:

Pia atq[ue] honesta Matrona Maria Magdalene Nibstadia,
uxor mea, dum in vinis erat, perchara, jam in Christo admo
dum desiderata, sed verè beata, diem suum obiit 2 die
Octobris, Tersae cremio decerati cum comitatu et [ceneire / canaire / caneire]
funebri â viro spectabi DNO M. Martino Rhoten decano
ave pastore Arterensi habita mandatur 4 d. ejudem m.
die Jovis â Dominicâ ignâ […] Trin. Textus c: f. fadit
phils i. cap. Cupio diſsolvi, et eſse cum Christo
Defunitæ votum.

unten links lese ich:
Ich weiß, und gleub er festiglich
Mein Erlöser lebt, drauff sterb Ich.
Drumb beger Ich auffgelöst sein
Bei dir Herr Jesu Christ zu sein

unten rechts:
Pie denatæ morritate
Gott gibt’s, Gott nimmts, solsts
nicht recht sein?
Drumb last mich schlaffe
und ruhen sein
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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Hallo Thomas,

Herzlich Willkommen im Ahnenblattportal!
Ich denke das dauert manchmal ein paar Tage, aber es meldet sich hier (oder auch "dort" ;) ) noch jemand. Unsere Lesespezialisten sind da eigentlich ganz zuverlässig - der ein oder andere wird sich auch schon mal eingelesen haben und die Antwort vielleicht "vertagt" haben.

Bei guten Gartenwetter liegen die alten Schriften auch hier mal ein paar Tage länger - werden aber selten übersehen. Ansonsten einfach hier noch mal nachfragen/erinnern.

Inhaltlich kann ich dir leider nicht weiterhelfen - wünsche aber ein gutes Gelingen und Rückmeldungen.
Marcus
ThomasC
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Beitrag von ThomasC »

Hallo Marcus,

danke für die nette Begrüßung. Dann warte ich mal ab. Im Moment gibt es ja auch noch genügend Regentage, so dass der eine oder andere vielleicht doch die Muße hat und sich an die Übersetzung macht.

Nochmals Danke
Thomas
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Chlodwig
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Beitrag von Chlodwig »

Wirklich nicht einfach, dieser Text, aber schon gut vorgearbeitet. Ein paar Wörter habe ich mal korrigiert:

Pia atq[ue] honesta Matrona Maria Magdalena Nibstadia,
uxor mea, dum in vitiis erat, perclara, jam in Christo admo-
dum desiderata, sed vere beata, diem suum obiit 2 die
Octobris, Terrae cremio decenti cum comitatu et [ceneire / canaire / caneire]
funebri â viro spectati DNO M. Martino Rhoten decano
atq pastore Arterensi habita mandatur 4 d. ejusdem m.
die Jovis â Dominicâ ignâ […] Trin. Textus c: f. fecit
phils i. cap. Cupio dissolvi, et esse cum Christo
Defuncte votum.

unten links lese ich:
Ich weiß, und glaub es festiglich
Mein Erlöser lebt, drauff sterb Ich.
Drumb beger Ich auffgelöst sein
Bei dir Herr Jesu Christ zu sein

unten rechts:
Pie denatæ morritate
Gott gibt’s, Gott nimmts, sollts
nicht recht sein?
Drumb last mich schlaffe
und ruhen sein

Übersetzungsversuch:
Die fromme und ehrsame Frau Maria Magdalena Nibstadt (wohl der Geburtsname), meine Gattin,
solange sie im Leben (beides unklar: vitiis: Fehlern, vitis Leben, Plural) war, allerdings schon in Christus erwünscht, aber wahrhaft glücklich,
(beging ihren Sterbetag) starb am 2. Okt. ...


So einfach der Text beginnt, so unverständlich wird er ab hier, weil die Richtigkeit der Worte Zweifel lassen, ebenso wie die vielen Abkürzungen.
Jedenfalls kommt kein vernünftiger Satz mehr zustande:

Brennholz...geschmückt...Gemeinschaft...Begräbnis...Mann...
Herr Martin Rhoten Dekan und Pastor... am 4. des gleichen Monats...
Text...geschrieben...


Vielleicht hat jemand anders noch Ideen, mehr herauszuholen.
Gruß, Chlodwig
ThomasC
Beiträge: 7
Registriert: 21.05.2016, 10:40

Beitrag von ThomasC »

Lieber Chlodwig,

ganz herzlichen Dank! Das hilft mir schon mal weiter.

Im zweiten Teil: Terrae [cremio oder cramio] decenti; könnte das so etwas bedeuten wie "in aller Stille begraben" oder "in Anstand begraben"? Terrae ist die Erde und decenti von decentia für Dezent, mit Anstand, ruhig?

... spectabi[lis] DNO M. Martino Rhoten decano atq pastore Arterensi
herrlicher Herr Magister Martin Rhoten Dekan und Pastor zu Artern

habita mandatur; kann das so etwas heißen wie: "hatte das Mandat" oder so?

"die Jovis â Dominicâ" heißt doch bestimmt "Tag des Herrn am Sonntag" oder so?

Danach kommen dann die Textstellen aus der Bibel, die wohl während der Beerdigung gelesen wurden. Phil. 1 steht für die Briefe des Apostel Paulus an die Philipper. Da findet man unter Phil. 1, 23: "Von zwei Seiten werde ich bedrängt, da habe ich das Begehren, aufgelöst zu werden und bei Christos zu sein." Dies zitiert er auch frei unten links in dem Eintrag.

Vielleicht helfen diese Überlegungen, mit dem zweiten Teil etwas mehr anzufangen.

Nochmals herzlichen Dank.

Viele Grüße
Thomas
Kinglouis
Beiträge: 6
Registriert: 20.04.2012, 22:15
Wohnort: Graz

Beitrag von Kinglouis »

Hallo Thomas,
hier sind noch ein paar Steinchen zum Puzzle:
"uxor mea dum in vivis erat": meine Ehefrau, solange sie unter den Lebenden war
"die Jovis a Dominica 19ma SS (=sanctissimae) Trin(itatis)": am Donnerstag nach dem 19. Sonntag nach Trinitatis
"Terrae gremio decenti cum comitatu et ??? funebri ... mandatur": wird dem Schoß der Erde mit gebührendem Geleit und Begräbnis ... übergeben

Wie sich das Wort "habita" in den Satz einfügt kann ich leider nicht erklären.
Viele Grüße
Kinglouis
ThomasC
Beiträge: 7
Registriert: 21.05.2016, 10:40

Beitrag von ThomasC »

Hallo Kinglouis,

vielen herzlichen Dank für die Ergänzungen. So ergibt das Ganze jetzt einen Sinn:

Pia atq[ue] honesta Matrona Maria Magdalene Nibstadia,
Die fromme und ehrsame Frau Maria Magdalena Nibstadt,

uxor mea, dum in vivis erat, perclara, jam in Christo admo-
meine Gattin, solange sie unter den Lebenden war, allerdings schon in Christus

dum desiderata, sed verè beata, diem suum obiit 2 die
erwünscht, aber wahrhaft glücklich, starb am 2. Tag des

Octobris, Terrae cremio decenti cum comitatu et [ceneire / canaire / caneire]
Oktobers, wurde sie dem Schoß der Erde mit gebührendem Geleit und Begräbnis

funebri â viro spectabi[lis] DNO M. Martino Rhoten decano
durch den herrlichen Herr Magister Martin Rhoten Dekan

atq[ue] pastore Arterensi habita mandatur 4 d. ejusdem m.
und Pastor zu Artern übergeben am 4. des gleichen Monats, das war der

die Jovis â Dominicâ 19mâ SS[= sanctissimae] Trin. Textus c: f. fadit
Donnerstag nach dem 19. Sonntag nach Trinitatis.

phils i. cap. Cupio diſsolvi, et eſse cum Christo Defunctæ votum.

Die Zeitangaben passen, da der 19. Sonntag nach Trinitatis 1649 der 30. September war (kann man hier http://www.ortelius.de/kalender/forme_de.php?j=1649&c=j gut berechnen).
Danach folgt eine Textstelle aus der Bibel, die vermutlich zur Beerdigung gelesen wurde. Kann mir noch jemand bitte den Schluss übersetzen "et esse cum Christo Defunctæ Votum"?

Nochmals Danke für die Hilfe.

Gruß
Thomas
ThomasC
Beiträge: 7
Registriert: 21.05.2016, 10:40

Beitrag von ThomasC »

Hallo nochmal,

habe es gerade selbst rausgefunden (Wikipedia sei Dank):

„Cupio Dissolvi“ (Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden) ist ein Zitat aus dem Paulusbrief an die Philipper (1,23). Insgesamt entspricht dies dem unten links angegebenen Zitat: „Cupio Dissolvi, et eſse cum Christo“ = Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Dir Christus zu sein. Es drückt das christliche Bestreben aus, das Leben zu verlassen und in das ewige Leben bei Jesus Christus einzutreten. Diese Formulierung spielte im Mittelalter bis zur Neuzeit eine wesentliche Rolle in der Diskussion um Selbstmord. Zusammen mit der Formulierung „allerdings schon in Christus erwünscht“ könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass Esaias Frau Maria Magdalene nach langer, schwerer Krankheit ihrem Leben selbst ein Ende setzte.

Nochmals Danke an Chlodwig und Kinglouis!

Gruß
Thomas
ThomasC
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Beitrag von ThomasC »

Ach ja: was heisst jetzt aber noch "Defunctæ votum" am Ende? Das fehlt mir nun noch.
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